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Drei Nationen, ein Tanzboden: Mein Abend mit dem Floating Sofa Quartet im St. Spiritus

Nach dem berührenden Auftritt von Northflip bleibe ich im St. Spiritus. Nur wenige Minuten später betritt das Floating Sofa Quartet die Bühne – ein musikalisches Kollektiv, das aus Dänemark, Schweden und Finnland stammt. Kein gewöhnliches Quartett: vier junge Folk-Musiker, die akustische Tanzmusik atmen und erzählen.

Wer sind sie? Hier eine kurze Charakteristik: Mads Kjøller-Henningsen (DK): Flöte & schwedische Dudelsäcke – sein Spiel erinnert an Herbstwinde über kargen Feldern. Clara Tesch (DK): Fiddle – geerdete Melodien, die tief ins Herz ziehen. Leija Lautamaja (FIN): Melodeon, eine Art Akkordeon, & Harmonium – bringt finnische Volksmusik in die Moderne. Malte Zeberg (S): Kontrabass – verleiht dem Ensemble Wärme und Rhythmus.

Gegründet um das Jahr 2015 herum, arbeitete das Quartett seitdem in Konzepten und Soundexperimenten – zwei Alben wurden veröffentlicht: The Moon We Watch Is the Same (2016) und Neighbourhood (2018). Erstgenanntes erhielt internationale Aufmerksamkeit als beeindruckende Mischung aus musikalischer Virtuosität und emotionaler Tiefe. Das zweite Album wurde bei den Danish Music Awards Roots als „Album of the Year“ ausgezeichnet. 2025 feiert die Band ihr 10-jähriges Jubiläum – ein Meilenstein, an dem auch ihr Heimatpublikum in Kopenhagen teilhaben darf. Dort organisieren sie seit Jahren regelmäßig intime Folk-Tanzabende, die Community und Musik verbinden. Es folgten gemeinsame Projekte mit einer Reihe verschiedener Singer/Songwriter aus ihren drei Heimatländern, sowie das Album Kystnært (Küstennah), das sie zusammen mit der Hardangergeigerin Guro Kvifte Nesheim –  sie trat beim Nordischen Klang 2025 im Duo mit dem schwedischen Geiger Mats Edén auf –, eingespielt haben. Diese CD präsentiert Folkemusik von den nördlichen Meeresregionen.

Der Ort & das Publikum

Das St. Spiritus – ein ehemaliges Hospital/Kapellenensemble in Greifswald – schafft intime Nähe. Heute Abend ist die Atmosphäre dicht: warme Beleuchtung, rustikales Ambiente. Das Publikum reagiert erst zurückhaltend, doch ganz anders als beim ersten Konzert mit Northflip: Hier geht es von Anfang an um Bewegung, nicht nur ums Zuhören. Das Quartett beginnt mit mittelalterlich und irisch-schottisch anmutenden Melodien: leichte, tänzerische Klänge, angerichtet für das Tanzbein. Die Musik erinnert an Seemannslieder – ja, fast an Shanty –, nur modern arrangiert und entstaubt. Nach wenigen Minuten füllt sich die Tanzfläche: aus vorsichtigem Wippen werden schnelle Tanzschritte, Hände greifen einander, und es formiert sich eine Polonaise durch den Raum – ein liebenswerter Nostalgietanz in moderner Hülle. Zwischen die leichtfüßigen Stücke mischen sich barock anmutende Passagen, kurze melancholische Zwischenspiele, in denen das Ensemble innezuhalten scheint. Dann legt man wieder los mit feuriger Tanzmusik, die Köpfe träumen und Beine tanzen lässt. Die Tiefe spielt mit der Leichtigkeit – manchmal zart, manchmal schwermütig – und zieht das Publikum wie hypnotisch in den Bann.

Jubiläumsstimmung & neue Musik

2025 ist Jubiläumsjahr – und das merkt man. Die Band zeigt Auszüge aus neuen Stücken, die sich zwischen Eigenkompositionen und traditionellen Tanzformen bewegen. Der fragile Klang der schwedischen Bagpipe von Mads verleiht bestimmten Momenten beinahe rituelle Tiefe, bevor Clara auf der Geige temperamentvoll zum nächsten Tanzstück überleitet. Leijas harmonische Töne und Maltes Bass fügen sich fließend in ein Ganzes, das zugleich traditionell und frisch klingt. Der Auftritt ist eingebettet in das Programm Nordischer Klang, das Kultur aus Nordeuropa in Deutschland etabliert – mit Musik, Literatur, Vorträgen. Greifswalds Universität und Kulturinstitutionen wie das St. Spiritus tragen dazu bei, skandinavische Kunst in kleinen Räumen erfahrbar zu machen. Bei Northflip traf schweigende Reflexion auf untergründige Bewegung – beim Floating Sofa Quartet begegneten sich Klang und Gemeinschaft, Tanz und Austausch.

Mein Fazit

Als ich das Konzert verlasse, spüre ich etwas, das über Musik hinaus geht: es ist ein Abend, der Grenzüberschreitung feiert – zwischen Tradition und Moderne, zwischen Zuhören und Mittanzen, zwischen den Kulturen Skandinaviens. Vier Musiker, die mit ihrer Verbindung aus Leichtigkeit und Tiefe zeigen, wie Folk neu klingen kann. Wie man klassische Formate lebendig hält und die Zuschauer Teil einer Bewegung werden lässt – im Inneren und auf der Tanzfläche.

Text: Michel Hillenbach, Fotos: Nicole Strauß